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Joachim Feldmann

Geschäftsführer, Finanzierungen und Sonderprojekte

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30.03.22 | Russland | Ukraine | Energiekrise | Information

Finanzlage Russlands

Russland gerät unter wachsenden Sanktionsdruck

Immer mehr westliche Firmen, darunter zahlreiche Weltkonzerne, haben ihr Russland-Geschäft beendet bzw. eingeschränkt. Zuletzt waren es Coca-Cola, Pepsi, Starbucks, Ferrari, McDonalds und Allianz. Die USA hatten am 08. März 2022 ein Importverbot russischen Öls erlassen. Großbritannien hat am gleichen Tag ein faceout von russischem Öl bis Ende 2022 angekündigt.

Die Zahl der Sanktionen gegen Russland steigt weiter. Immer neue Oligarchen, Mitglieder des Föderationsrates und Geschäftsleute, die von Putins Politik profitieren, kommen auf die Sanktionslisten. Ihre Vermögenswerte werden eingefroren, sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen bzw. durchreisen.

Ab dem 12. März 2022 ist es sieben russischen Banken und den in den Russland niedergelassenen juristischen Personen, deren Eigentumsrechte zu über 50 Prozent unmittelbar oder mittelbar bei einer der sieben Banken liegen, untersagt, die Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr SWIFT zu nutzen.

Beim Treffen von G7 und EU wurde vereinbart, dass Transaktionen von Gold über die russische Nationalbank sanktioniert werden sollen. Es soll verhindert werden, dass die Zentralbank durch Einsatz von Goldreserven die russische Wirtschaft stützt.

Das Einfrieren der internationalen Reserven der russischen Zentralbank soll die Umgehung des Ausschlusses von SWIFT, den Einsatz von Währungsreserven zur Rettung russischer Banken und Unternehmen und das Stützen des Rubel-Kurses auf dem Devisenmarkt verhindern. Damit können russische Banken auch kein ausländisches Bargeld mehr an die Bürger verkaufen.

EU-Finanzinstitute müssen Sanktionen umsetzen

Die Verhängung von Finanzsanktionen schränkt den Kapital- und Zahlungsverkehr ein. Finanzinstitute in der EU, zu deren Kunden bzw. Geschäftspartnern sanktionierte Personen oder Unternehmen gehören, müssen sicherstellen, dass eingefrorene Gelder nicht bewegt werden. Unter „Gelder“ fallen nicht nur Bar- und Buchgeld, sondern finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art. Damit wird jegliche Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung, der Verwendung von Geldern sowie ihres Einsatzes verhindert. Das Kreditinstitut in der EU, das Konten einer gelisteten Person oder eines Unternehmens verwaltet, muss ab Inkrafttreten einer Sanktionsmaßnahme jede Verfügung über eingefrorene Gelder verhindern.

Zudem sind Finanzierungen von sanktionierten Waren, Dienstleistungen und Investitionen verboten. Es gibt allerdings kein generelles Verbot von Zahlungen nach Russland oder der Annahme von Zahlungen aus Russland. Entscheidend ist immer der konkrete Inhalt der Sanktionen.

Für operative Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung von Finanzsanktionsmaßnahmen ist das Service-Zentrum Finanzsanktionen der Deutschen Bundesbank, Hauptverwaltung München, zuständig. Sie erteilt auch eventuell erforderliche Ausnahmegenehmigungen oder Genehmigungen bei Genehmigungsvorbehalt. Für Sanktionen im Bereich Güter, wirtschaftliche Ressourcen, technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Dienstleistungen und Investitionen ist allerdings das Bundesamt für Wirtschaft uns Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig.

Die Finanzlage Russlands wird zunehmend prekär

Seit Beginn des russischen Angriffs sind der Rubel eingebrochen und die Kurse russischer Staats- und Unternehmensanleihen massiv abgestürzt. Umgekehrt schossen die Kosten für die Absicherung eines Zahlungsausfalls nach oben. Putins Ankündigung, Öl und Gas nur noch gegen Rubel zu verkaufen, stärkte den Rubelkurs etwas. Nach Schätzungen stehen russische Auslandsschulden von mehr als 500 Milliarden US-Dollar im Risiko. Eine Krise auf dem internationalen Finanzmarkt ist dennoch nicht zu befürchten, da Russland eine vergleichsweise geringe Staatsverschuldung von lediglich etwa 14 Prozent des BIP hat (zum Vergleich: Deutschland etwa 60 Prozent, Italien etwa 135 Prozent).

Der russische Staatshaushalt unterliegt strenger Geheimhaltung. Nach verfügbaren Daten von 2017 standen Staatseinnahmen von rund 254,9 Milliarden US-Dollar Staatsausgaben von 287,5 Milliarden US-Dollar gegenüber. 2017 machten Öl- und Gaseinnahmen 36 Prozent des Staatshaushaltes aus, sanken im Jahr 2020 wegen des Pandemie-bedingt geringeren Exports fossiler Brennstoffe auf 28 Prozent. Die Devisenreserven liegen derzeit bei 630 Milliarden US-Dollar, sind aber durch Sanktionsmaßnahmen blockiert.

Die drei Ratingagenturen Fitch, Standard and Poor’s und Moody’s haben Russlands Kreditwürdigkeit von bisher „spekulative Anlage“ auf die Stufe „hohe Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit“ herabgestuft. Die Agenturen gehen also davon aus, dass Russland am Rande der Staatspleite steht. Den Test für die Zahlungsfähigkeit Russlands am 16. März 2022, als 100 Millionen US-Dollar auf russische Staatsanleihen fällig waren, hat Russland bestanden und mit der Zahlung vermieden, dass die Ratingagenturen Russland auf den schlechtesten Wert „Zahlungsausfall“ runterstufen. Ein Zahlungsausfall Russlands wäre vor allem technischer Natur, da Russland eigentlich die Mittel hat, um seine Staatsschulden zu bezahlen. Ein Großteil der Mittel ist aber durch die Sanktionen blockiert.

Auch EU, Deutschland und Bayern sind betroffen

Ein deutscher Importstopp von Energie aus Russland würde die wirtschaftlichen Folgen für Russland weiter massiv erhöhen, träfe aber auch die EU, vor allem die Wirtschaft in Deutschland und ganz besonders im rohstoffarmen, revier- und küstenfernen Bayern enorm. Bereits jetzt haben die Energiepreise bisher unbekannte Preisspitzen erreicht. Deshalb ist es richtig, dass Bundeskanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und die Bayerische Staatsregierung ein Embargo bzw. einen Boykott für Energie aus Russland ablehnen. Habeck sprach von „gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen schwersten Ausmaßes“. BDI-Präsident Russwurm äußerte sich entsprechend: Wir dürfen nicht Maßnahmen beschließen, die uns selbst stärker treffen als den Sanktionsadressaten.

Eine Gefahr besteht allerdings: Putin selbst könnte die Energielieferungen an Europa stoppen, zumal ihm die Einnahmen nicht mehr viel nützen, weil die russische Nationalbank die Devisen nicht mehr konvertieren kann. Am 07. März 2022 hat Putin damit gedroht, die Lieferung durch Nord Stream 1 nach Deutschland einzustellen. Einen zeitlich begrenzten Exportstopp für Getreide (bis 30. Juni 2022) und Zucker (bis 31. August 2022) hat Russland (weltweit größter Weizenexporteur) am 15. März 2022 verhängt.

An die 48 „unfreundlichen Staaten“, darunter auch Deutschland, will Russland seine Auslandsschulden nur noch in Rubel zum Wechselkurs der russischen Zentralbank zahlen. Zudem hat Putin am 23. März 2022 angekündigt, Öl und Gas an „unfreundliche Staaten“ nur noch gegen Rubel zu verkaufen. Damit könnten die russische Währung gestützt und die Sanktionen gegen die russische Zentralbank unterlaufen werden. Vertraglich vereinbart ist Zahlung in Euro oder Dollar. Nachdem Russland sich unnachgiebig zeigt, hat Bundeswirtschaftsminister Habeck am 30. März 2022 die erste Stufe des Notfallplans Gas in Kraft gesetzt.

Als Vergeltung für eingefrorene Auslandsvermögen will die russische Zentralbank den Transfer von Geldern in die „unfreundlichen Staaten“ beschränken.